Sozialpolitischer Zielvorschlag
Als sozialpolitisches Ziel wird vorgeschlagen, dass der Kreis die Verbesserung der Rahmenbedingungen für bezahlbaren angemessenen Wohnraum unterstützt, insbesondere für Bevölkerungsgruppen, die aufgrund bestimmter Merkmale, wie z.B. sozioökonomischer Status, oder aufgrund spezifischer Umstände, wie z.B. Krankheit oder Behinderung, oft einen erschwerten Zugang zu entsprechendem Wohnraum haben.
Erwarteter Nutzen
Als Nutzen des sozialpolitischen Ziels wird erwartet, dass allen Einwohnenden zur Existenzsicherung angemessener bezahlbarer Wohnraum für ein würdevolles einkommensunabhängiges Leben zur Verfügung steht. Ist entsprechender Wohnraum ausreichend verfügbar, trägt dies auch zur Fachkräftesicherung für Unternehmen und damit zur wirtschaftlichen Entwicklung des Kreises bei. Zudem wird die Attraktivität des Kreises gesteigert, da bezahlbare Mieten es Haushalten ermöglichen, ihre finanziellen Mittel auch für andere wichtige Bedürfnisse auszugeben.
Bezahlbarer Wohnraum ist ein wichtiger Faktor zur Vermeidung von Wohnungsverlust und Obdachlosigkeit und fördert soziale Teilhabe und sozialen Zusammenhalt. Im Gegenzug bedeutet das Fehlen von bezahlbaren Wohnraum Menschen wegen hoher Mieten aus dem Kreisgebiet wegziehen und Unternehmen die dringend benötigten Fachkräfte fehlen. Die Unternehmen verlagern aufgrund der Rahmenbedingungen ihre Tätigkeiten in andere Regionen. Dies führt zu sinkenden Einnahmen bei der Einkommens- und Gewerbesteuer. Insgesamt wird damit als Folge die kommunale Finanzkraft geschwächt.
Die seit mehreren Jahren angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt im Kreisgebiet hat sich noch verschärft. In den letzten fünf Jahren sind die Preise für Neuvermietungen im Kreis bei einer geringen Leerstandsquote von 2,2 % um ca. 21,7 % von 8,66 Euro auf 10,54 Euro gestiegen.
Die weiter steigenden Wohn- und Mietkosten sind nach wie vor durch suburbane Tendenzen aus der Metropole Hamburg geprägt. Immer mehr Menschen müssen dauerhaft bereits mehr als ein Drittel des Haushaltseinkommens für Wohnen aufbringen, wodurch immer weniger für die Lebensführung verbleibt.
Die Armutsgefährdungsschwelle für einen1-Personen-Haushalt liegt bei ca. 1.200 Euro. Für eine 45 qm Wohnung, die im SGB II-Leistungsbezug als angemessene Größe gilt, sind im Kreis ca. 450 Euro kalt zuzüglich ca. 112,50 Euro Betriebskosten, die lt. Mieterbund bei 2,50 Euro pro qm liegen, somit ca. 562,50 Euro monatlich zu zahlen. Dies entspricht mindestens ca. 47 % des verfügbaren Einkommens einer armutsgefährdeten Person.
Bei Paaren mit 2 Kindern liegt die Armutsgefährdungsschwelle ca. 2.750 Euro. Diese müssen im Kreis für eine 85 qm Wohnung demnach 850 Euro kalt zuzüglich ca. 212,50 Betriebskosten, somit ca. 1.062,50 Euro monatlich ausgeben. Dies entspricht mindestens ca. 39 % des verfügbaren Einkommens des armutsgefährdeten Haushalts.
Im Kreis sind 14,4 % oder ca. 22.100 Haushalte armutsgefährdet, diese Zahl wird allein durch das Wachstum der Bevölkerung, die bis 2045 um 4 % auf ca. 335.000 Menschen prognostiziert wird, weiter zunehmen.
Im Kreis sind 2,95 % bzw. ca. 4.820 Wohnungen sozial gefördert. Innerhalb der nächsten fünf Jahre werden 32 % davon oder ca. 1.540 Wohnungen aus der sozialen Wohnraumförderung fallen. Hierdurch wird der Druck überhaupt noch geeigneten und bezahlbaren Wohnraum in angemessener Qualität zu finden, der infrastrukturell gut angebunden ist, für armutsgefährdete Personen oder Haushalte noch mehr zunehmen. Diese Entwicklung trägt dazu bei, soziale Teilhabe und den sozialen Zusammenhalt zu gefährden. Durch den erheblichen Wegfall der Belegbindungen rückt der Neubau vor allem von Sozialwohnungen wieder mehr in den Fokus.
Vor allem vulnerable oder auch gefährdete, verletzliche Gruppen, haben Schwierigkeiten angemessenen bezahlbaren Wohnraum zu finden. Dazu zählen z.B. die ca. 3.700 Wohnungslosen im Kreis Pinneberg. Auch für andere bestimmte Gruppen wie z.B. Menschen mit Behinderung, psychisch Kranke oder Personen aus Einrichtungen bestehen oft Barrieren am Wohnungsmarkt, die auch einkommensunabhängig sein können.
Die soziale Wohnraumförderung, das erhöhte Wohngeld und auch die Mietpreisbremse haben zwar Haushalte im Blick, die sich am Markt kaum oder nicht aus eigener Kraft mit Wohnraum versorgen können, diese reichen jedoch nicht aus um das Wohnen im Kreis für Menschen mit niedrigen Einkommen bezahlbar zu machen.
Finanzwirtschaftliche Auswirkungen
Die finanzwirtschaftlichen Auswirkungen von bezahlbarem Wohnraum werden beispielhaft anhand der Folgen Fachkräftemangel durch Wohnraummangel ermittelt. Hierfür werden folgende Aspekte berücksichtigt:
Einkommensteuerausfälle der Kommunen
Angenommen, jährlich ziehen 250 Fachkräfte weg oder nehmen keine Stelle im Kreis an, weil sie keine Wohnung finden.
- Ø Bruttojahreseinkommen pro Fachkraft: 50.000 Euro
- Ø Einkommensteuer: ca. 10.000 Euro
- Kommunaler Anteil (ca. 15 % über den kommunalen Finanzausgleich): 1.500 Euro pro Person
- 250 × 1.500 Euro = 375.000 Euro Mindereinnahmen/Jahr
Angenommen, 5 mittelständische Betriebe mit je 20 Mitarbeitenden verlagern ihren Sitz, weil sie keine Wohnungen für ihre Beschäftigten finden.
- Ø Gewerbeertrag pro Betrieb: 300.000 Euro
- Gewerbesteuermessbetrag: 3,5 % → 10.500 Euro
- Hebesatz z. B. in Pinneberg: 390 %
- Gewerbesteuer pro Betrieb: 10.500 Euro × 3,9 = 40.950 Euro
- 5 × 40.950 Euro = 204.750 Euro Mindereinnahmen/Jahr
Für die beiden genannten Aspekte ergeben sind damit Mindereinnahmen bzw. in Höhe von 579.750 Euro/Jahr
Kategorie | Betrag (Euro) |
Einkommensteuer | 375.000 |
Gewerbesteuer | 204.750 |
Gesamtverlust | 579.750 |
Die tatsächlichen jährlichen finanzwirtschaftlichen Auswirkungen liegen weiter höher. Wenn z.B. bei den Kosten der Unterkunft höhere Mietpreise finanziert werden müssen, da die Menschen keinen günstigen Wohnraum im Kreisgebiet finden. Dies verursacht weitere Mehrkosten.
Für angemessene Wohn- und Lebensverhältnisse zu sorgen, ist eine gemeinschaftliche Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge von Kreis und Kommunen, die ein Zusammenspiel von Wohnungspolitik und Wohnungswirtschaft erfordert. Durch eigene Aktivitäten, wie z.B. ein regelmäßiger fachlicher Austausch der relevanten Akteure, könnte der Kreis die Zusammenarbeit fördern. Auch ein lokales Bündnis für bezahlbaren Wohnraum wäre möglich.
Für einen regelmäßigen jährlichen fachlichen Austausch sind ca. 10.000 Euro vorzusehen. Weitere fachliche Begleitung des Prozesses erfordert zusätzliche Personalressourcen, deren Höhe politisch festzulegen ist.
Den Kommunen stehen zahlreiche wohnungspolitische Instrumente zur Verfügung. Neben der Flächenbevorratung durch Erwerb von Flächen und Nutzung von Vorkaufsrechten können Verträge mit Investoren abgeschlossen werden, die einen bestimmten Anteil geförderten Wohnraum oder die Übernahme von Infrastrukturkosten festschreiben. Kommunen können selbst Neubauvorhaben umsetzen, innovative Wohnprojekte oder Stiftungsmodelle unterstützen oder mit Wohnungsbauunternehmen kooperieren. Auch über das Planungsrecht können Kommunen beeinflussen, wie neuer Wohnraum entsteht. Zur Entwicklung einer kommunalen Gesamtstrategie könnte der Kreis eine beratende Begleitung der Kommunen anbieten. Ebenso könnte der Kreis eigene Investitionsanreize setzen.
Die finanziellen Ressourcen sind abhängig von der konkreten Ausgestaltung der Innovationsanreize. Der Kreis kann hier ein Budget bereitstellen dessen Höhe von den politischen Gremien festzulegen ist.
Ein weiterer Lösungsansatz kann die Gründung und der Betrieb einer gemeinnützigen kommunalen Wohnraumagentur mit dem Kreis als Förderer und Kooperationspartner sein. Zum Doppelhaushalt 2025/26 hat der Kreistag deshalb einen Haushaltsbegleitbeschluss gefasst und die Verwaltung beauftragt, mit potenziellen Akteuren zu sprechen, einen Abwägungsbericht zur Gründung zu erstellen und die dafür und für den laufenden Betrieb erforderlichen Ressourcen zu ermitteln sowie ein Konsultationsverfahren mit den Kommunen durchzuführen.
Hierfür werden zurzeit Kosten in Höhe von ca. 265.000 Euro pro Jahr für 50 Wohnungen veranschlagt, die bei Ausweitung auf 450 Wohneinheiten im Jahr 2030 wird der Betrag auf ca. 560.000 Euro pro Jahr anwachsen.